Ich bin Niederrhein (1) Von Michael Elsing

Guten Tag, liebe Leser, mein Name ist Michael Elsing und ich komme von Bislich. Wie bitte, das ist kein richtiges Deutsch? Mag sein, aber am Niederrhein werde ich trotzdem verstanden. Wir haben hier nämlich unsere eigene Sprache entwickelt und deshalb kommen wir nicht aus, sondern von einem bestimmten Ort. So falsch ist das nach unserem Verständnis auch gar nicht, denn von Bislich aus, um bei meiner persönlichen Situation zu bleiben, bestreiten wir unser Leben.
Wir gehen beispielsweise auch nach Bett und nicht ins Bett. Wir machen das Fenster auf und öffnen es nicht. Sie merken also schon, dass wir uns um den korrekten Einsatz von Präpositionen nicht sonderlich scheren. Aber nicht nur das: Wir geben Wörtern auch eine völlig neue Bedeutung. Wenn wir zum Beispiel von einem dicken Enkel sprechen, dann meinen wir nicht unser übergewichtiges Enkelkind. Nein, wir beklagen unseren stark geschwollenen Knöchel. Wenn uns dieser lädierte Knöchel dann über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt, dann haben wir „Last” mit ihm. Das lässt sich übrigens auch auf jedes weitere Körperteil übertragen und drückt gleichzeitig aus, dass wir unser Leiden nicht näher definieren können.
Falsch verstanden werden könnte womöglich auch der Ausdruck „er liegt ganz schlecht”. Hiermit wollen wir unserem Gegenüber nicht mitteilen, dass sich der Liegekomfort der besagten Person in überschaubaren Grenzen hält. Es ist schlichtweg die Formulierung für einen sehr besorgniserregenden Gesundheitszustand.
Gerade im Bereich der Medizin toben wir uns sprachlich gesehen so richtig aus. Wenn ein Mensch in eine kurzzeitige Ohnmacht fällt, dann „ist er ganz weg”. Gelangt er das Bewusstsein dann zurück, „kommt er wieder bei”. Eventuell ist ihm anschließend noch ein wenig „uselig”, wobei dieses Universal-Wort gerne auch in Zusammenhang mit dem Wetter verwendet wird. Eine ganz große Domäne des Niederrheiners ist auch die Diskrepanz zwischen Schreiben und Sprechen. Wir gucken nicht, wir „kucken”, wir essen „Jochurt” und nicht Joghurt, wir haben „fünef” Finger an der Hand und es stehen „elef” Fußballer auf dem Platz.
Und dann wäre da noch eine letzte Spezialität, der wir uns häufig bedienen: Wir beginnen einen Satz nicht selten mit der Ankündigung, dass wir gleich etwas sagen werden. „Ich sach mal”, heißt es da und schon sprudelt es aus uns heraus. Ist der Satz dann beendet, schicken wir noch ein „sach ich mal” hinterher. Denn der Gesprächspartner könnte ja durchaus vergessen haben, wer da soeben gesprochen hat. Alles verstanden? Bestimmt?! Sie kommen doch sicher auch vom Niederrhein.

RP vom 20.03.2008