Ich bin Niederrhein (14) Von Michael Elsing

Es gibt Sätze, Redewendungen oder Ausdrücke, die ich in diesem Leben nicht mehr hören möchte. Mir ist natürlich klar, dass dabei der Wunsch der Vater des Gedanken bleiben wird. Aber ich will Sie trotzdem nicht dumm sterben lassen und veröffentliche deshalb heute meine persönliche Hitliste.
Ich beginne mit dem Kindesalter, in dem wir ja so manches präsentiert bekommen, was wir eigentlich gar nicht hören wollen. Ich will jetzt nicht sämtliche Aufforderungen, Tipps und Zurechtweisungen an den Nachwuchs aufzählen, das würde den Rahmen sicherlich sprengen. Daher nur zwei Beispiele: der niederrheinische Winter geizt in der Regel mit Schnee, was das niederrheinische Kind um so schöne Beschäftigungen wie Schneemann bauen, Schneeballschlachten oder Schlittenfahren bringt. Wenn es dann tatsächlich mal zu schneien beginnt und sich Hoffnung breit macht, haben Erwachsene nichts Besseres zu tun, als folgenden Satz zu sagen: „Der bleibt sowieso nicht liegen.” Das ist mir eine Spur zu grausam. Daher mein Tipp an alle Erwachsenen: Teilen Sie doch einfach die Hoffnung mit ihrem Kind, auch wenn dies wider besseren Wissens geschieht.
Die nächste Feststellung, die gegenüber Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen getroffen wird, ist nicht nur langweilig, sondern auch noch falsch. Sie lautet: „Komm du erst mal in mein Alter.” Allen Menschen, die gerne zu diesem Satz greifen, sei hiermit gesagt: Das wird nicht funktionieren. Mutter Natur hat es nämlich so eingerichtet, dass ein 25-jähriger Mensch einen doppelt so alten Menschen altersmäßig nie erreichen wird, auch wenn er sich noch so anstrengt.
Wer dann später ins Berufsleben einsteigt, muss, ob er nun will oder nicht, sich an den Ausdruck „Mahlzeit” gewöhnen. Das ist hart, aber gerade noch so auszuhalten. Schwerer wird es, wenn Menschen jede noch so geringe Unpünktlichkeit ebenfalls mit einem „Mahlzeit” quittieren. Der absolute Ober-GAU ist aber jene Floskel, die Menschen immer dann einsetzen, wenn ihnen die Argumente ausgehen. Achtung: „Früher war alles besser.”
Ah, ja! Dann werfen wir doch mal einen diskreten Blick zurück: Früher gab es keine Autos, kein Telefon, keinen Fernseher, keinen Computer, keine Waschmaschine, keine Spülmaschine, kein Wahlrecht für Frauen und keine Mikrowellen für Männer. Dafür hatten wir Helmut Kohl als Bundeskanzler, Heribert Faßbender als Sportreporter, wir hatten die DDR und die RAF, wir hatten unzählige Dauerwellen und Schnauzbärte und Dieter Bohlen sang noch bei Modern Talking. Wer nun immer noch behauptet, dass früher alles besser war, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

RP vom 10.07.2009