Ich bin Niederrhein (28) von Michael Elsing

Ich gebe zu, dass es mir Kinder ganz besonders angetan haben. Vielleicht liegt das daran, dass sie den Erwachsenen häufig schutzlos ausgeliefert sind. Die „Großen” begehen dabei nicht selten den Fehler, die „Kleinen” für dumm zu verkaufen. Denn wie lassen sich sonst die Regeln erklären, die von Erwachsenen aufgestellt werden und die sich bei genauerer Überprüfung meistens als unwahr herausstellen. Hier nun einige Beispiele dieser „Gesetze”:
Regel Nummer 1: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!” - Ah ja, da haben einige Erwachsene wohl zu viele Winnetou-Filme geschaut, in denen Apachen, Comanchen oder Sioux an den Marterpfahl gebunden wurden, ohne eine Miene zu verziehen. Fakt ist aber, dass Menschen indianischer Abstammung sich in Sachen Schmerzempfindung nicht von ihren mitteleuropäischen Artgenossen unterscheiden. Auch indianischen Kindern tut es weh, wenn sie von einem Klettergerüst in die Tiefe stürzen.
Regel Nummer 2: „Wenn du alles auf isst, gibt es morgen schönes Wetter!” - das ist ja wohl ein Faustschlag ins Gesicht eines jeden studierten Meteorologen, der mächtig viel Zeit aufgewendet hat, um einigermaßen verlässliche Vorhersagen zu treffen. Und vor allem der niederrheinische Erwachsene spielt mit dem Feuer, wenn er seinen Kindern einen solchen Unsinn erzählt. Denken Sie doch nur an diese ungemütlichen Novembertage - solche Mengen können die unschuldigen Kinder gar nicht verdrücken, damit diese Regel wahr wird.
Regel Nummer 3: „Der Nikolaus sieht alles!” - ich gebe gerne zu, dass dieses Mittel der Disziplinierung sehr verlockend ist. Denn kein Kind möchte ausgerechnet von dem Mann enttarnt werden, der ihm am 6. Dezember die Stiefel füllen soll und es wird sich folglich fügen, wenn der Erwachsene mit der Allgegenwärtigkeit des Nikolaus droht. Wahrer wird diese Aussage dadurch aber trotzdem nicht. Selbst wenn dieser Heilige Mann die Fähigkeit besäße, alles zu sehen, drückt er in seiner Güte auch gerne mal ein Auge zu.
Regel Nummer 4: „Nicht schielen, sonst bleiben die Augen so stehen!” - Liebe Kinder! Schielt bitte weiter, was das Zeug hält. Eure Augen werden immer wieder an ihre ursprüngliche Position zurückkehren.
Regel Nummer 5: „Warum? Darum!” - das wahrscheinlich unsinnigste alle Erwachsenen-Gesetze, weil es letztlich lediglich dokumentiert, dass der Erwachsene keine Erklärung parat hat, keine Zeit hat oder ihm die Lust fehlt, sich mit dem Kind zu beschäftigen. Und das kollidiert wiederum mit einer weiteren Regel, die da lautet: „Fragenden Menschen ist immer zu helfen!” Und die stimmt dann ausnahmsweise auch.

RP vom 5. März 2010
 

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