Ich bin Niederrhein (3) Von Michael Elsing

Hallo, ich bin‘s, ihr niederrheinischer Sprachführer. Ich wollte Ihnen flugs auf die Sprünge helfen, wobei wir – Sie haben es sicherlich bemerkt – schon wieder mittendrin sind in unserem sprachlichen Kauderwelsch. Nun fangen Sie mal nicht gleich an zu „kreitern", ich helfe Ihnen ja, wo ich nur kann.
Für manche Begriffe habe ich allerdings auch keine Erklärung. Oder können Sie mir sagen, woher die „Fisematenten" kommen, die ich, so wies es mir früher jedenfalls meine Oma an, nicht machen sollte? Auch „Fitütten" waren mir damals stets untersagt. Komisch nur, dass ich immer sofort wusste, was gemeint war. Aber wir erfinden ja nicht nur Begriffe, sondern sogar Lebewesen, die jeder kennt und doch nie jemand gesehen hat. Da wäre beispielsweise „Schmitz‘ Katze", die unheimlich schnell unterwegs sein soll und uns vielleicht deshalb noch nie unter die Augen getreten ist. Oder „Nachbars Lumpi“, der oft erwähnt wird, aber selten präsent ist. Wie gern geben wir unserer Verwunderung mit der Bemerkung „ach du lieber Scholli" Ausdruck. Doch wer ist dieser Scholli eigentlich und ist er womöglich mit dem „lieben Krokoschinski" oder dem „lieben Herrn Gesangverein" verwandt.
Diese Zeitgenossen werden wohl ebenso Phantome bleiben wie die „Familie Hempel", unter deren Sofa es so fürchterlich aussehen soll und die, obwohl kein Mensch je ihre Wohnung betreten hat, als Synonym für Unreinlichkeit gilt. Und ob „Graf Rotz" wirklich im Geld schwimmt, wer weiß das schon? Aber über solche Vorverurteilungen sehen wir großzügig drüber hinweg.
Genauso wie über den korrekten Einsatz der Grammatik. Nehmen wir hier einmal das Verb (Tuwort) gelten. In der dritten Person Singular (Einzahl) wird daraus „gildet", gebraucht aber nur in der Verneinung. Im ganzen Satz: „Das gildet nich." Beim Komparativ (Steigerung) ist zum Beispiel Wesel „größer wie" Hamminkeln, manchmal sogar „größer als wie" Hamminkeln. Angenommen, diese Städte hätten eine identische Einwohnerzahl, wären sie „egal groß". Außerdem platzieren wir Wörter an Stellen, wo sie eigentlich nicht hingehören. Sind wir vom Wahrheitsgehalt einer Aussage nicht überzeugt, fragen wir: „In echt?" Ist der Verursacher eines Vergehens ausgemacht, stellen wir fest: Du bist das „in Schuld".
Jetzt haben Sie sicher bald die „Faxen dicke" von meinen schulmeisterlichen Belehrungen. Das ist mir natürlich nicht „schnurzpiepegal", und bevor sie womöglich „’ne „Fläppe" ziehen oder mich im schlimmsten Fall für ’nen „Flappmann" oder „Flabes" halten, endet für heute der niederrheinische Sprachkursus. Ich gebe zu: „Für gut" bin ich nicht zu gebrauchen.

RP vom 30.05.2008