Die Bislicher Schützen beleuchten die Nazi-Zeit

Wesel Alte Protokollbücher der Schützenvereine zwischen 1905 und 1937, dazu Schriftstücke aus Privatbesitz und einige alte Filme fielen unlängst dem Bislicher Kornel Schmitz in die Hände.

Er ist ehemaliger Major des Schützenvereins und heutiger Vize-Vorsitzender des Heimatvereins. Die Stücke selbst sind seit 2010 im neuen Raum in der ehemaligen Volksschule verwahrt. Anlass war, dass ein Bislicher den Pokal zu Zuhause festhielt und nicht herausrücken wollte. Nun kann ihn jeder bewundern.

RP Bericht 28.09.2012 VON MARTHA AGETHEN
Man beschloss, eine Publikation über die Jahre zwischen 1933 und 1937 mit Auszügen aus den Protokollbüchern und einer Auswahl Fotos mit den zugehörigen Namen herauszugeben. „Man kann an unserer Broschüre sehen“, sagt Schmitz, „wie der Nationalsozialismus innerhalb kürzester Zeit Zugriff auf die Schützenvereine hatte.“ Nachdem einmal der Erlös des letzten Schützenfestes das Unternehmen sicherte, blieb nur noch, dass die meisten Dokumente von Hand und in Sütterlin geschrieben waren. Kein Problem für Museumschef Peter von Bein und Heinrich Giesen vom Bislicher Schützenverein, die die Texte „ins Neudeutsche übersetzten“. Peter von Bein begründet den Sinn der Mühe: „In der Bislicher Bevölkerung herrscht Unklarheit über die NS-Zeit. Gleichzeitig hat die Publikation für Schützen den Nebeneffekt, etwas über ihre Wurzeln zu erfahren.“ 1933 hatten noch 70 Prozent der Bislicher Zentrum gewählt. Wenige Wochen später sangen die Schützen das Horst-Wessel-Lied, Kampflied der SA. In jenen Tagen hatten die Schützenvereine Einfluss aufs dörfliche Leben. „Sieg, Heil“ wurde zur obligatorischen Begrüßungsformel. Mitglieder, die kritische Fragen stellten, wurden hinausgeworfen. Dies belegen Zitate damaliger Presseartikel wie „Mit Hetzern wird nicht lange gefackelt!“ Die Nazis wollten die drei bestehenden Schützenvereine, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, zusammenlegen: die Sebastianus-Bruderschaft, den Allgemeinen Schützenverein und die Schützengesellschaft Borussia (Ökonomen, Großbauern, Ziegeleibesitzer, Ärzte). Das ließen sich diese aber nicht bieten. „Zwingen lassen die Bislicher sich nicht“, sagt Schmitz. Die drei Vereine wären schwerlich unter einen Hut zu bringen gewesen. Darum lösten sie sich im April 1937 nach eingehender Beratung der Vereinsführer auf. Mit „Ein Tag des Stolzes und der Freude“ (1939) waren stattdessen Nazi-Aktivitäten bezeichnet wie etwa die Eröffnung des Hitlerjugend-Heims 1939.

Erst 1947 bzw. 1950 nahmen Bruderschaft und Allgemeiner Schützenverein ihre Tätigkeit wieder auf. 2003 fusionierten beide Vereine zur Schützengemeinschaft Bislich.

 

NRZ Bericht vom 29.09.2012

Wesel. „Protokolle geben nur wieder, was passiert ist“, sagt Kornel Schmitz, ehemaliger Major der Bislicher Schützen und zweiter Vorsitzender des Heimatvereins. „Wie es in den Menschen aussah, darüber sagen Protokolle nichts.“

Lesen lässt sich aus ihnen trotzdem eine ganze Menge. Auch über eine Zeit des Bislicher Schützenwesens, über die bislang nicht sehr viel bekannt war. Mit Peter von Bein und Heinrich Giesen hat sich Kornel Schmitz in eine ganze Sammlung von Protokollen und Unterlagen vertieft. Herausgekommen ist die fast 60-seitige Publikation „Die Bislicher Schützenvereine 1933 bis 1937“. Finanziell unterstützt wurde der Druck von ehemaligen Schützenkönig Dieter Terlinden und dessen Thron.

Es sei bei den Recherchen erschreckend gewesen, zu sehen, in welch kurzer Zeit sich die nationalsozialistische Ideologie in das Leben im Dorf und besonders auch in das Schützenwesen eingeschlichen habe, sagt Peter von Bein. Bei den letzten freien Wahlen vor dem Krieg im März 1933 etwa hätten 70 Prozent das katholische Zentrum gewählt, schon wenige Wochen später wurde bei Versammlungen wie selbstverständlich das Horst-Wessel-Lied, das Kampflied der SA, gesungen.

Wie die Unterlagen belegen, versuchten die Nationalsozialisten, die drei bestehenden Bislicher Schützenvereine zu einem zusammenzulegen. Eine Zwangsvereinigung ließen aber nicht alle mit sich machen, deshalb wurden ab 1937 keine Schützenfeste mehr gefeiert. Zwei Vereine lebten nach dem Krieg wieder auf und schlossen sich schließlich 2003 zu einem zusammen - diesmal aber ganz freiwillig.

Bewusst habe man in der Publikation Protokolle, Fotos und Auszüge aus Briefen unkommentiert abgedruckt, erklärt von Bein. So soll ein möglichst unvoreingenommen Bild gezeichnet werden.

Auf die Protokollbücher und die vielen anderen Unterlagen stieß Kornel Schmitz bei seiner Suche nach Archivmaterial. Zahlreiche Bislicher stellten ihm Dokumente und Gegenstände aus ihrem Privatbesitz zur Verfügung. Daraus entstand ein Schützen-Archiv , das in der alten Schule, In den Plenken, untergebraucht ist.

Von Gabi Schultze

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