Die ersten arktischen Wildgänse sind da

Nabu-Chef Peter Malzbender bittet darum, Äcker noch nicht umzupflügen und die Gäste noch nicht zu stören.

RP-Bericht vom 08.10.2014 von Fritz Schubert

Peter Malzbender staunte nicht schlecht: In der Nacht zum Donnerstag hörte er die typischen Rufe der Wildgänse. Unterdessen hat der Vorsitzende der Kreisgruppe Wesel des Naturschutzbundes (Nabu) rund 5000 der gefiederten Wintergäste im Raum Bislich ausgemacht. In der Menge und zu dem frühen Zeitpunkt sei das ungewöhnlich, sagt der Experte aus Wesel. Er vermutet, dass knappes Futterangebot im Norden und starke Bejagung die Tiere schon jetzt zum Niederrhein führten, der in der Spitzenzeit rund um den Jahreswechsel regelmäßig 180 000 bis 200 000 Wildgänse zu Gast hat.

Die ersten Ankömmlinge finden jetzt ein Paradies vor. Abgeerntete Maisfelder bieten ihnen einen reich gedeckten Tisch. Deshalb bittet Malzbender Landwirte darum, die Äcker liegenzulassen und jetzt noch nicht umzupflügen. Auch sollen Naturfreunde mit Annäherungsversuchen noch warten und Hunde auf jeden Fall angeleint lassen. "Die Gänse sind noch sehr scheu, stehen unter Jagdstress, dem sie unterwegs überall ausgesetzt waren", sagt Malzbender. Das lege sich mit der Zeit, denn die Vögel lernten schnell, wann ihnen keine Gefahr mehr droht.

Am Ende kann man erfahrungsgemäß bis auf 15 bis 20 Meter an die Tiere herangehen, ohne sie aufzuscheuchen. Bekanntlich ist das enorm hohe Gänseaufkommen im Winter eins der größten Naturschauspiele, das der Niederrhein zu bieten hat. Der Naturschutzbund wird ab Anfang November wieder Exkursionen anbieten.

Aktuell übernachten die Gänse auf Gewässern wie dem Diersfordter Waldsee und dem Weseler Auesee. Tagsüber sind sie an Land auf Futtersuche. Laut Malzbender scheint es auf den ersten Blick ein gutes Brutjahr gewesen zu sein. "Ich habe viele Paare mit drei bis vier Jungen gesehen", sagt der Nabu-Chef. In der Mehrzahl seien die jetzt eingetroffenen Vögel Blässgänse, aber es seien auch einige wenige Saatgänse darunter.

Einige tragen auch Halsbandberingungen. Die haben Wissenschaftler den Tieren angelegt, um Erkenntnisse über Flugrouten zu gewinnen. Die seit gut 15 Jahren genutzten Halsbänder haben gegenüber Ringen am Fuß den Vorteil, dass man sie besser mit dem Spektiv ablesen kann. So weiß man heute, dass längst nicht alle nach einer 6000 Kilometer langen Reise über Winter am Niederrhein bleiben. Manche ziehen auch weiter bis nach Südwestfrankreich.

Was die arktischen Blässgänse nicht tun, ist ganzjährig hierbleiben. Entgegen Aussagen von Jägern erklärt Malzbender, dass ihr Brutgebiet klar die Halbinsel Taimyr in Nordwestsibirien ist. Bis Mai müssen die Gänse wieder dort sein, weil dann der Boden auftaut und Milliarden von proteinhaltigen Mückenlarven schlüpfen, die dringend als Futter für die jungen Gänse gebraucht werden.

 

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