Geheimtipp mit Aussicht

Der Kirchengarten am Bislicher Deich ist einen Besuch wert. Denn hier gibt es jede Menge zur entdecken, und Ruhe und Entspannung findet man mitten im üppigen Grün auch

Von Petra Herzog

Wesel. Er ist so etwas wie ein Geheimtipp, der Bislicher Kirchengarten direkt am Deich. Im Sommer bieten die hohen alten Bäume den perfekten Schutz vor Hitze, und wer sich auf der Bank mit Blick auf die Kirchenwoy niederlässt, kann mit ziemlicher Sicherheit sogar Störche beobachten. Einer von ihnen klappert gerade kräftig mit dem Schnabel während er im seichten Wasser auf der Wiese steht und die drei Jungen mit dem anderen Elternteil die Umgebung erkunden.

Auch die neun Bislicher, die an diesem Montagmorgen für Ordnung im Garten hinter der St. Johannes-Kirche sorgen, riskieren immer wieder einen Blick aufs Storchennest. So wie Werner Reichardt, der von einem Paradies vor der Storchenhaustür spricht.

Ein kleines Paradies, das ist zweifelsohne der Kirchengarten, den ein waschechter Bayer einst anlegte. Georg Schmid, der der Liebe wegen in den Weseler Ortsteil zog, verbrachte hier jede freie Minute. Er schuf die Wege, pflanzte, bastelte Schilder und baute einen Bildstock zur Marienverehrung. Im Dezember 2006 starb er an seinem Lieblingsplatz im Kirchengarten.

Wasser für die vielen Pflanzen im Bislicher Kirchgarten. Edmund Ramms trifft sich immer montags mit anderen Bislichern zur Pflege des grünen Grundstücks. Fotos: Tim Schulz

Danach drohte die bislang liebevoll gepflegte Fläche zuzuwuchern. Als der Bislicher Edmund Ramms eines Tages mit einer Gärtnerin ins Gespräch kam, wurden ihm gewissermaßen die Augen geöffnet. Ob er eigentlich wisse, um welches Kleinod es sich bei dem Kirchengarten handele, fragte sie ihn. Und verwies auf viele religiöse Symbole, die sich auch in Form von Pflanzen offenbaren. Kurzentschlossen übernahm er die Pflege der fast 1000 Quadratmeter großen Fläche. Heute kümmern sich neun Bislicher zwischen März und Oktober an jedem Montag um den Garten. Dann wird geharkt und gejätet, gegossen und manchmal auch gepflanzt.

 

„Alle Pflanzen sind in Gärten vorgezüchtet und gespendet worden", sagt Ramms

 und zeigt auf die vielen, vielen Buchsbäume in den unterschiedlichsten Formen. Es sind die Frauen, die hier einmal im Jahr die Schere ansetzen und das immergrüne Gewächs zu Kugeln, Kegeln und anderem mehr formen. Maria Bienen-Scholt, Ursula Gerwers, Monika Dames und Rita Wolfertz sorgen außerdem für die frisch zurechtgestutzten Beeteinfassungen.

Momentan zeigt sich das Areal fast ganz in Grün. Ein paar verblühte Rosen und die roten Beeren des. Aronstabs gehören zu den wenigen Farbtupfern inmitten von Buchs, Funkien, Efeu und anderen Grün- pflanzen. Das ist im Frühling komplett anders. Denn dann entfalten hunderte von Zwiebelpflanzen ihre ganze Pracht. Morgensterne, Tulpen und Hyazinthen bilden. ein Blütenmeer zwischen Amselweg, Lerchenpfad und Drosselgasse, die so gar nichts mit der Rüdesheimer Namensgeberin gemeinsam hat. Hier geht es nie rummelig, sondern immer ruhig zu. Es ist ein Ort, an dem gestresste Menschen Entspannung finden können. Sei es beim Genießen der Umgebung auf einer Bank oder beim Schlendern entlang der Wege, die immer wieder kleine Überraschungen bereit halten.

Der große Grabstein mit den Namen mehrerer Bislicher Familien - Henrichs, Hansen, Pooth und Meyboom - hatte hier ursprünglich nicht seinen Platz, denn einen Friedhof gab es an dieser Stelle nie. Wohl aber auf der anderen Seite der Kirche, wo 1843 die letzte Beerdigung stattfand. Der Grabstein stammt allerdings vom Kommunalen Friedhof an der Schifferstraße, wo er beseitigt werden sollte. Nun spiegelt er hier ein Stück Bislicher Ge- schichte wider. Das gilt auch für die steinernen Fratzengesichter, die teils längst Moos angesetzt haben. Sie zierten seit den, 1884er Jahren die Kapitelle der Johannes-Kirche, wurden 1965 aber wieder beseitigt und sind nun im Garten zu finden. Ein Kreuz aus Buchsbaum kann hier ebenso entdeckt werden wie ein Stern. Auch dabei ist die Feinarbeit der vier Frauen gefragt während Heinz Bienen-Scholt, Paul und Theo Gerwers, Edmund Ramms und Werner Reichardt eher für die gröberen Arbeiten zuständig sind.

 

 

SO KOMMEN SIE HIN

Der Kirchengarten liegt direkt hinter der St. Johannes-Kirche in Wesel-Bislich am Pastor-Kühnen-Platz. Ein Schild in der Nähe des Eingangs in das Gotteshaus weist den Weg.

Demnächst sollen Spaziergänger und Radfahrer, die über den Deich kommen, durch einen weiteren Wegweiser auf das grüne Idyll aufmerksam gemacht werden. Es wäre doch zu schade, hier keinen Zwischenstopp einzulegen.

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