Historisches Brotbacken in Bislich

NRZ-Bericht vom 05.01.2015 von Susanne Zimmermann

Kritisch beäugen Bernhard Terlinden und Hermann Wolfertz die Glut. Kopfschütteln und Stirnrunzeln: „Das ist nicht gut.“ Zu feucht ist es, das Feuer entwickelt nicht die gewünschte Hitze. Es qualmt. „Backen äs vör hondert Johr“ – das will gelernt sein. Seit drei Stunden schon arbeiten die Männer im Backhaus am Bislicher Heimathaus. Gelernt haben sie, wie die Vorväter ihr Brot buken - seit die Dorfgemeinschaft 1987 das Backhaus nach historischem Vorbild errichtet hat.

Zehn Kilo Mehl, fünf Liter Milch, Buttermilch, Hefe, Rosinen und andere gute Zutaten hat Heinz-Werner Gerulat in der Holzwanne geknetet, wieder und wieder. Der Mann ist nass geschwitzt. Trotzdem fliegen die Witzchen. Jetzt muss der Teig gehen: Acht Hefewürfel wollen ihre Wirkung entfalten. August Pumpe wacht darüber. Zeit für ein Schnäpschen. „Auf Anna Heißing!“ Die inzwischen verstorbene Bislicherin beherrschte die alte Kunst des Brotbackens im Backhaus noch. Auf ihre Lehrmeisterin also!

Die rechte Glut ist eine Kunst

Noch mehr Aufmerksamkeit als der Teig fordert die Glut. Backhäuser sind nach Osten ausgerichtet. Aus gutem Grund: „Wir haben meist Westwinde“, erläutert Franz Schweers, der den Ofen konstruiert und mitgebaut hat. „Wenn der Wind auf dem Ofen steht, backt das Brot nicht durch.“

An diesem Tag haben die Männer mit gut getrocknetem Buchenholz angefeuert – zu Uromas Zeiten eine unerhörte Verschwendung. Schranzen wurden gebunden, aus Obstbaum- und Weidenästen, die beim Schnitt anfielen. Schranzen binden - auch so eine alte Technik, die kaum einer noch beherrscht. „Holz war wertvoll“, erläutert Schweers. Dass die Leute Wagen mit Grünschnitt zum ASG fahren - unvorstellbar.

Bernhard Terlinden ist mit 84 der Älteste im Team historisches Brotbacken. „Eigentlich müsste es historische Brotbäcker heißen“, witzelt er. Sein Job ist die Glut: 220 Grad benötigt der Stuten, konstant und gleichmäßig. Daran hängt der Erfolg des Unternehmens. Heribert Weber deutet in den Ofen: „Das muss weiß sein“. Terlinden schiebt die Glut hierhin, dorthin. Er murmelt, er flucht. Nein, heute ist er gar nicht zufrieden mit seinem Feuer. Es ist schwere körperliche Arbeit, das schwelende Holz zu bewegen. Die Bäcker wechseln einander ab. Sie werden nicht müde, auf ein perfektes Ergebnis zu warten. Das dauert. Klar, wo das Sprichwort „jemanden zur Weißglut treiben“ entstanden sein muss: am Backhaus.

Endlich: Der Herr des Feuers nickt. Gemeinsam holen die Bäcker die Glut aus dem Ofen, schieben sie in einen Kasten. Mit einem nassen Besen fegen sie die Kammer aus, wischen mit einem dampfenden Aufnehmer nach. Gespannt gucken alle auf Bernhard Terlinden: Die Mehlprobe steht an. Der 84-Jährige wirft routiniert ein paar Hand voll in den Ofen. „Wenn das Mehl braun wird, ist die Temperatur zu hoch“, erläutert Jürgen Thielen die Prozedur. Wird es grau, hat jemand schlampig gewischt. Es bleibt weiß.

Zügig reichen Jürgen Thielen und August Pumpe die Brotlaibe auf Terlindens Schieber. 36 Stuten sollen es werden. Terlinden weiß die Laibe so exakt zu platzieren, dass alles passt. Jetzt schließen sich die eisernen Türen. Terlinden setzt den Schlussstein in den Abzug, dichtet die Tür mit dem Aufnehmer ab.

Bald steigt himmlischer Duft auf. 20 Minuten backen die Laibe, dann holen die Bäcker sie zügig heraus. Sie begutachten jedes Exemplar, diskutieren, kritisieren das Ergebnis ihrer Mühe. Einige Laibe wandern zurück in den Ofen. Die meisten sind perfekt. Normalerweise würde jetzt noch Streuselkuchen gebacken, und die Alten haben auch noch Obst getrocknet. Jedes bisschen Wärme wurde genutzt. Ein Gedanke, der den modernen historischen Bäckern auch nicht fremd ist. Aber heute konnte Heribert Weber einfach keine Würste bekommen, die sie wie sonst im Aschekasten grillen könnten. Macht nichts. Der Stuten schmeckt sündhaft gut. Grund genug für ein Schnäpschen.

Geschichte - Eine lange Tradition

78 Backhäuser hat es mal allein in Bislich gegeben. Beinahe jeder Hof hatte ein eigenes.
Das Bislicher Backhaus verdankt der Heimatverein Franz Schweers. 1987 feierte er seinen 50. Geburtstag und die Silberhochzeit. Und erbat Geld für das Backhaus statt Geschenke.

Schweers fand zahlreiche Mitstreiter. Der Architekt plante den Ofen akribisch: Es musste die richtige Größe sein, aus den zahllosen Schamottsteinen der richtige ausgewählt werden. Zusammen mit vielen Bislichern, darunter Handwerker, baute er das Backhaus.

Zum Team historisches Backen gehören neben den Genannten auch Nicole Rabeling und Frank Weßling, die an diesem Tag nicht dabei sein konnten.

Gebacken wird jeweils zu besonderen Anlässen, zuletzt beim Herbstmarkt. Dann bieten die Bäcker ihr Brot den Gästen an. Der Heimatverein betreibt das Backhaus nicht kommerziell und hat das auch für die Zukunft nicht vor.


Stolze Bäcker mit ihrem duftenden Produkt: Heinz-Werner Gerulat, Hermann Wolfertz, Jürgen Thielen, Heribert Weber, Bernhard Terlinden, Franz Schweers und August Pumpe (von links). Foto: Gerd Hermann

Weitere Bilder vom historischen Backen finden Sie hier.

 

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