Ich bin Niederrhein (20) Von Michael Elsing

Ich bin Niederrhein (20)

Das Lästern ist sicherlich nicht ausschließlich ein Hobby des Niederrheiners. Trotzdem beherrscht er es natürlich aus dem Eff-Eff. Dass dabei die kleinen Skandälchen aus dem alltäglichen Leben nicht immer so weitergegeben werden, wie sie sich tatsächlich ereignet haben, lässt sich nicht vermeiden und ist manchmal sogar beabsichtigt. Es erinnert manchmal ein wenig an das Kinderspiel „Stille Post”, bei dem die eigentliche Nachricht am Ende nur noch wenig gemein hat mit der ursprünglichen Information.
Spielen wir heute also mal „Stille Post”. Beinahe alle Läster-Geschichten beginnen mit den Worten „Hasse schon gehört?” oder „ich muss dir was erzählen”. Jeder, der nur ansatzweise dem Läster-Hobby zugetan ist, wird nun alles stehen und liegen lassen, um die Neuigkeiten zu erfahren.
Nehmen wir nun weiter an, dass es sich um ein „Beziehungsdrama” handelt: verheirateter Mann hat Verhältnis mit verheirateter Frau - der Niederrheiner würde es „Krösken” nennen. Um ein solches „Krösken” als Fakt zu verkaufen, würde es schon reichen, dass die Opfer der Läster-Attacke sich auf einer Party unverhältnismäßig lange unterhalten, ausgiebig miteinander tanzen oder zufällig zur gleichen Zeit den Raum verlassen. Wenn sie dann noch mit ihrem eigenen Partner relativ wenig reden, eher selten gemeinsam tanzen und zu unterschiedlichen Zeiten den Raum verlassen, ist der Skandal perfekt. Ähnlich schnell in der Schublade landen die Opfer der Lästerer, wenn sie sich mit gesundheitlichen Problemen plagen. Da wird eine Kreislaufschwäche zum Herzinfarkt, Magenschmerzen weiten sich zu Geschwüren aus und eine harmlose Prellung endet in einem Knochenbruch. Wer dann tatsächlich schwer erkrankt, für den gibt es häufig keine Rettung mehr.
Relativ viele Anschaffungen innerhalb kürzester Zeit beunruhigen den Chefkoch der Gerüchteküche ebenfalls. „Wie machen die das bloß?” oder „woher stammt das ganze Geld?” will er jetzt wissen. Seine Schlussfolgerung: entweder hoch verschuldet oder kriminell.
Nicht gerne gesehen bei Lästerern sind auch Menschen, die sich in vielen Bereichen engagieren und dort Verantwortung übernehmen. Sie werden nur allzu gerne als Wichtigtuer diffamiert, die lediglich im Mittelpunkt stehen wollen. Der Niederrheiner nennt dies kurz „immer Hänsken voran” oder „immer mit de Nase dabei”. Der Lästerer ist aber auch ein Feigling. Denn Sätze wie „ich will ja nix gesacht haben” oder „mir is das doch egal” gehören stets zu seinem Repertoire, wenn er über „andere Leut” her zieht. Sie merken schon: Lästern kann manchmal ganz schön lästig sein. Aber: „ich will ja nix gesacht haben.”

RP vom 16. Oktober 2009