Ich bin Niederrhein (21) Von Michael Elsing

Neulich war ich shoppen. Das ist die neudeutsche Variante des Einkaufens. Wobei schon an diesem Punkt die erste Erklärung fällig wird. Denn der Niederrheiner setzt den Begriff „Einkaufen” oder auch „Inkoopen” als Universalwort ein. Für ihn ist es völlig unerheblich, ob er einen Baumarkt, eine Boutique oder ein Lebensmittelgeschäft betrifft - er geht halt „inkoopen”.
Für mich, den klassischen niederrheinischen Mann, war es auf jeden Fall an der Zeit, mal wieder „inkoopen” zu gehen. Die Beine meiner Hosen näherten sich langsam, aber sicher meinen Knien, die Hemden langsam, aber sicher meinem Bauchnabel und durch die Sohlen meiner Schuhe spürte ich bereits den Boden. Und nicht zuletzt hatte der Inhalt meines Kleiderschranks gleich mehrere aktuelle Modeentwicklungen schadlos überstanden. Fazit: mein niederrheinisches Gegenstück befand, dass dieser Zustand nicht länger anhalten dürfte. Eine Generalüberholung war dringend notwendig.
Wenn nun aber das niederrheinische Ehepaar gemeinsam „inkoppen” geht, gibt es in der Umsetzung doch erhebliche Unterschiede. Das sieht so aus: der niederrheinische Mann zieht grundsätzlich nur dann los, wenn er mit Kaufwillen und -kraft ausgestattet ist. Einfach nur schauen, wie es die Frau gerne macht, das ist nicht sein Ding. Er fragt sich: warum soll ich in einen Laden gehen, wenn ich dabei kein konkretes Ziel verfolge? Betritt er das Bekleidungshaus seines Vertrauens, verschafft er sich schon im Eingang einen Überblick. Es darf nicht unnötig Zeit verschwendet werden. Wenn er eine Hose kaufen will, passt es ihm überhaupt nicht in den Kram, wenn Frau versucht, seine Aufmerksamkeit auf andere Kleidungsstücke, wie Hemden oder Pullover zu lenken.
Mit der Hose seiner Wahl verschwindet er dann in der Umkleide. Er hat seine aktuelle Hose noch nicht ganz ausgezogen, da steht Frau schon vor der Kabinentür und ruft: „Schatz, probier doch mal das an.” Und schon wird ein Stoß von Hemden, Pullovern und noch zwei weitere Hosen durch den Vorhang gereicht. Der Mann spürt Frust in sich aufsteigen, gehorcht aber . Er betet nun, dass sämtliche Teile nicht nur passen, sondern auch noch großartig aussehen. Und er hofft, dass keine nervige Verkäuferin an ihm herumzupft oder ihm sagt, wie fantastisch er aussieht und welche zusätzlichen Kleidungsstücke ihn noch fantastischer aussehen lassen würden.
Um es abzukürzen: sechs Stunden war ich unterwegs. Das Ergebnis kann sich jedoch in der Tat sehen lassen. Habe danach meinen Kleiderschrank radikal ausgemistet. Überfüllung muss ja wirklich nicht sein. Was allerdings ein wenig Unbehagen in mir auslöst: in fünf Jahren muss ich schon wieder los.

RP vom 30. Oktober 2009