Ich bin Niederrhein (29) von Michael Elsing

Ich bin Niederrhein (29)

Schlagen wir also heute mal wieder ein neues Kapitel aus der Rubrik, „ich mache mir meine (Sprach)Welt, so wie sie mir gefällt”, auf. Das ist nämlich die absolute Spezialdisziplin des Niederrheiners. Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Eine Person spaziert über die Straße, stolpert, fällt hin und stellt anschließend fest, dass sie unverletzt geblieben ist. Wie kommentiert der Niederrheiner nun diese Szene? Ganz einfach. Er sagt: „Es hat noch ma gut gegangen.” Die erste Frage, die ich mir bei diesem Satz stelle, lautet: Was meinen wir mit „es”? Und ist dieser Sturz nicht gerade ein Zeichen dafür, dass es mit dem Gehen ganz und gar nicht so gut klappt?
Nächstes Beispiel: Wenn wir unserem Gegenüber etwas erklären, das dieser sich unbedingt merken soll, dann sagen wir: „Schreib dir das bitte mal hinter die Ohren!” Also, meiner Meinung nach, ist diese Position für eine Art Merkzettel gänzlich ungeeignet. In die Hände oder auf die Arme, das könnte ich noch verstehen. Aber hinter die Ohren?
Ein weitere Eigenart niederrheinischer Sprach-Akrobatik ist mir in jüngster Vergangenheit häufiger aufgefallen. Nicht wenige Menschen beenden nahezu jeden Satz mit den Worten „und hasse nich gesehen”. Manchmal juckt es mich ein wenig, meinem Gesprächspartner die Frage zu stellen: „Was habe ich nicht gesehen?” Bei allem Unverständnis für unsere Sprache muss an dieser Stelle aber auch mal gesagt werden, dass der Niederrheiner durchaus in der Lage ist, seine Sätze mit einer gewissen Logik zu versehen.
Das trifft unter anderem auf die Floskel „von nix kommt nix” zu. Wer nix (kein Geld) hat, so kombinieren wir messerscharf, der kann auch nix (kein Geld) ausgeben. Diese Nix-Variante, da lässt sich der Niederrheiner natürlich nicht lange bitten, ist selbstverständlich noch ausbaufähig. Einen Weg, den wir völlig umsonst zurücklegten, haben wir „für nix und wieder nix” absolviert. Und wenn etwas wie aus heiterem Himmel passiert, dann ist das „mir nix dir nix” geschehen.
Schon merke ich, wie beim Wörtchen „nix” die niederrheinischen Gäule mit mir durchgehen. Da kenn ich nix, das muss einfach raus, auch wenn es nix bringt und nach nix aussieht. In Null Komma nix reihe ich da eine Floskel an die andere. Die eben erwähnte Logik darf dabei natürlich nix - sorry - nicht verloren gehen. So ruft der Niederrheiner den Menschen, die sich unbefugt an einem Ort aufhalten, zu: „Du hast hier nix verloren.” Und weil jene Menschen dort nix verloren haben, schlussfolgert er weiter: „Du hast hier nix zu suchen.” Diese Konsequenz finde ich bahnbrechend: wer nix verloren hat, der muss auch nix suchen. Jetzt suche ich nur noch den geeigneten Schlusssatz. Ach, ja: Nix geht mehr!

RP vom 9. April 2010

 

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