Senioren-WG will gegen Kreis klagen

Wesel. Die Vorzeige-Wohngemeinschaft in Bislich beklagt sich über das Verhalten der Heimaufsicht. Weil sich keine gütliche Lösung abzeichnet und der Kreis Wesel alle Vorwürfe zurückweist, wird der Fall wohl vor Gericht landen. 

Von Klaus Nikolei

Anneliese Delsing, Ingrid Wenzlitschke und Elisabeth Bovenkerk (v.l.) fühlen sich wohl in der Wohnung mit Aussicht.FOTO: kwn

Mit schönerem Panorama-Blick kann man als Senioren-WG wohl kaum wohnen: An dem großen Tisch vor dem riesigen Fenster mit Sicht auf Rhein und Xantener Dom sitzen Ingrid Wenzlitschke (71), Elisabeth Bovenkerk (85) und Anneliese Delsing (75). Dort trinken sie Kaffee, lesen Zeitung, plaudern und geben dem gemeinsamen Hund Lotti Streicheleinheiten. "Uns geht es hier wunderbar", sagt Ingrid Wenzlitschke, die seit August 2016 Mitglied dieser ungewöhnlichen Wohngemeinschaft ist und viele Jahrzehnte als Krankenschwester im Evangelischen Krankenhaus Wesel tätig war. Der Kreis Wesel stört sich allerdings an der Form des Zusammenlebens der drei Damen. Die Heimaufsicht hat die Seniorinnen und ihren Vermieter im Visier.

Roland Lenneps ist Chef des ambulanten Pflegedienstes "Miteinander", der das Haus an der Straße Am Ehrenmal 6 in Bislich gekauft und umgebaut hat. In diesem wohnen die drei Damen, die er schon seit Jahren kennt. Lenneps erklärt: "Es gibt ein neues Wohn- und Teilhabegesetz - kurz WTG. Darin hießt es, dass bei einer Tagespflegeeinrichtung der Kreis die Heimaufsicht hat." Das Problem sei, dass die Heimaufsicht bei der Begehung der ambulanten Tagespflegestelle im Erdgeschoss auch die Baupläne für die Dachgeschosswohnung gesehen und mehrere barrierefreie Zimmer erkannt habe. "Die Mitarbeiterin erklärte mir, dass auch diese Wohngemeinschaft unter das WTG falle, sie also zuständig sei und Polizeigewalt habe", so Lenneps. Er, die drei Mieterinnen und deren Sprecher Gregor Grüneboom (Mehrhoog) legen größten Wert auf die Feststellung, dass es sich um eine selbst organisierte WG handelt. Das haben die drei Mieterinnen unabhängig voneinander in persönlichen Briefen an die WTG-Behörde deutlich gemacht.

"Uns wurde eine Wohnform geschaffen, die wir mit einem Architekten gemeinsam geplant haben. Herr Lenneps hat umgebaut. Es kann nicht sein, dass Sie uns so viel Angst, Unmut und Ärger bereiten", schreibt Ingrid Wenzlitschke an die Heimaufsicht. Das Ersparte würde derzeit nur für den Rechtsanwalt verwendet, klagt sie.

Unsere Redaktion wollte die Heimaufsicht des Kreises kontaktieren. Auf Anfragen meldete sich die Pressestelle des Kreises. "Zwecks Überprüfung der Frage, ob es sich um eine selbst- oder anbieterverantwortete Wohngemeinschaft handelt, ist ein sogenanntes Feststellungsverfahren durchzuführen." Dieses laufe derzeit. Über den aktuellen Stand könne man aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft gegeben. In der Funktion als Heimaufsicht habe die Mitarbeiterin den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gehandelt und ihre Aufgaben sachlich korrekt und neutral wahrgenommen. Die Vorwürfe in den Briefen der drei Frauen würden jeglicher Grundlage entbehren und würden vom Kreis demzufolge zurückzugewiesen.

Um zu ihrem Recht zu kommen, wollen die Bewohnerinnen der Bislicher Senioren-WG vor Gericht ziehen. "Sollten wir allerdings dort unterliegen, werden wir die WG auflösen und unseren Lebenstraum begraben müssen", beklagt das Trio, das sich auch an Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp gewandt hat. Deren Antwort hat sie enttäuscht. "Die Bürgermeisterin sagte, das sei Sache des Kreises, da wolle sie sich nicht einmischen."

Auch wenn der Streit mit der Heimaufsicht das Leben der Wohngemeinschaft belastet, so wollen die drei Seniorinnen die Hoffnung nicht aufgegeben, dass am Ende doch noch alles gut wird und sie ihren Lebensabend gemeinsam verbringen können.

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