Stadtteilserie Bislich – damals und heute

"Der Deich ist Heimat für uns." Jeden Tag nach dem Mittagessen fahren Ilse und Paul Kühnen eine Runde Fahrrad am Wasser. Und das seit vielen Jahren. Die beiden wohnen fast ihr ganzes Leben in Bislich und wissen daher viel zu erzählen

 NRZ Bericht Von Susanne Kollmann

Wesel. Ilse und Paul Kühnen fühlen sich in Bislich wohl. Das merkt man sofort, wenn man die beiden in ihrem schmucken Häuschen im Mühlenfeld besucht. Seit 56 Jahren leben sie schon dort und haben nicht einen Tag bereut. Auch wenn sich das Leben im Dorf sehr verändert hat.

„Früher waren hier überall Bauernhöfe und die Gegend geprägt von der Landwirtschaft“, erinnert sich die 79-jährige Ilse noch gut. Doch auch der 83-jährige Paul weiß viel zu erzählen. Denn beide sind in Bislich aufgewachsen. Viele ältere Menschen sagen, früher sei alles besser gewesen. Das Ehepaar sieht das nicht so. „Es war einfach anders.“ So wie die Nachbarschaften zum  Beispiel. Damals sei ein guter Nachbar mehr wert gewesen als die Familie. Und ein Notnachbar war unabdingbar.„Das kennen viele heute gar nicht mehr“, vermutet Ilse, „der ist nämlich dafür zuständig beispielsweise die Goldhochzeit zu organisieren oder den Nachbarn Bescheid zu geben, wenn die Person verstorben ist.“
Auch an einige Anekdoten können sich die Eltern von zwei Töchtern und einem Sohn gut erinnern. „Hin und wieder fragte einer der Nachbarn, ob ich Durst hätte“, sagt Paul Kühnen. Das ginge dann solange, bis alle Männer der Nachbarschaft zusammen gesessen hätten. „Wir Frauen zogen dann irgendwann nach. Es war immer sehr lustig“, findet Ilse. Ihre Tochter fand es alles andere als komisch, dass ihre Eltern woanders sind. „Mama, komm nach Hause und koch etwas oder gib Geld für eine Pommes“, ruft Ilse und versucht ihre Tochter stimmlich nach zumachen. Alle lachen.

Der Zusammenhalt sei aber nach wie vor sehr groß. Das könne man allein daran sehen, dass alle Bislicher gemeinsam für die Fähre, die Erhaltung der Grundschule und den begehbaren Deich
gekämpft haben. „Auch wenn sich einige Zugezogene nicht mehr so integrieren wie damals, so sind sie aber auf jeden Fall da, wenn etwas ansteht“, sagt Paul Kühnen.
Ohnehin habe der Heimatverein Bislich einiges bewegt. „Der letzte Bürgermeister Herbert Boese hat vor der Eingemeindung 1975 gesagt: Tut euch zusammen. So können alle Vereine mit einer Stimme bei der Stadt vorsprechen“, sagt der 83-Jährige. So sei der Dachverband und später der Heimatverein entstanden.
So positiv sich der Stadtteil entwickelt habe, einen Wermutstropfen gibt es dann doch: „Es ist wirklich schade, dass es hier keinen Lebensmittelmarkt mehr gibt. Und auch die kleinen Geschäfte schließen nach und nach“, bedauert Ilse Kühnen. Davon abschrecken lassen sich der gelernte Elektriker und die ehemalige kaufmännische Angestellte aber nicht. Die Rentner sind noch sehr fit und jeden Tag nach dem Mittagessen mit dem Fahrrad unterwegs –auch Gymnastikeinheiten dürfen morgens und abends nicht fehlen. Zudem kümmert sich Paul noch als ehemaliger Vorsitzender des Heimatvereins um die Elektrik im Museum und Ilse ist in einer Gruppe aktiv, die sich mit Plattdeutsch befasst und alle zwei Jahre Anekdoten über Bislich auf Plattdeutsch aufführen. Zu Hause widmet sich Ilse der Handarbeit und Paul werkelt in seinem Garten. „Ist schon lustig, früher bin ich immer weggelaufen, wenn mein Vater mich um Hilfe gebeten hat“, lacht der 83-Jährige. Heute ist er ganz begeistert, wenn er Kartoffeln, Salat, Zucchini oder Kohlrabi ernten kann.
Zwar können die beiden nicht mehr um die Welt reisen wie damals, doch nach Oberursel, Köln und in die Schweiz zu ihren Kindern fahren sie regelmäßig. Eines bemerken sie dann immer wieder: Zu Hause in Bislich ist es am schönsten. Ihr Lieblingsplatz ist ganz klar am Deich. „Das ist Heimat für uns.“
 

Ferienwohnung mit Herz und Familienanschluss Ehepaar Rabeling hat die Entscheidung, Urlauber aufzunehmen, nie bereut

Von Susanne Kollmann

Wesel. So lässt es sich aushalten: Entspannt sitzen Eveline und Kai-Uwe Franke bei den Rabelings im Garten und genießen eine Tasse Kaffee bei strahlendem Sonnenschein. Zum dritten Mal ist das Ehepaar vom Bodensee mit Schwiegermutter und Hund Tino in Bislich – um Urlaub zu machen. „Uns gefällt es hier richtig gut“, sagt Gast Kai-Uwe, „nicht nur die Gegend ist sehr schön, auch die Ferienwohnung ist einfach nur klasse.“ Doch wie kommt man auf Bislich als Ferienort? „Wir sind durch unseren Berner Sennenhund auf die Gegend aufmerksam geworden. Tino haben wir durch den Verein Berner Sennenhunde in Not aus einem Tierheim geholt“, erklärt Eveline Franke. Die Gegend gefiel den beiden so gut, dass sie im nächsten Jahr dort Urlaub machen wollten. Die Ferienwohnung Deichblick hatten sie im Netz gefunden. „Für uns, aber auch für Tino ist es hier perfekt mit dem Wasser“, sagen Frankes, die acht Tage Urlaub in Bislich machen. „Eine Ferienwohnung mit Herz und Familienanschluss“, beschreibt der Gast die Rabelings. Das kommt nicht von ungefähr, schließlich sind es mittlerweile zwölf Familien, die regelmäßig bei Werner und Gerda Rabeling Urlaub machen, unabhängig von den anderen Gästen. „Über die Jahre haben sich auch Freundschaft entwickelt“, sagt Gerda Rabeling, „das ist einfach nur schön“. Gäste aus allen Bundesländern, den Niederlanden, der Schweiz, Belgien, England, aber auch Israel und Brasilien waren bereits bei ihnen.

 Vor acht Jahren haben sie die Wohnung „auf den Markt geworfen“, wie Werner Rabeling sagt. Durch eine Sportfreundin seien sie auf die Idee gekommen, nachdem Werners Mutter verstorben, sein Bruder und auch nach ihm der erste Mieter ausgezogen ist. Die Wohnung nur noch an Urlauber zu vermieten, hätten sie nie bereut, beteuern sie. Und auch die Tatsache, dass es mittlerweile immer mehr Urlauber nach Bislich zieht, stört sie nicht, im Gegenteil. „Ich finde es toll“, sagt Gerda Rabeling, „das bringt noch mehr Leben ins Dorf.“

 

Leben, wo andere Urlaub machen

Vor acht Jahren zog es Familie Stober nach Bislich. Für ihre Kinder ist dieser Stadtteil perfekt, sagen die Eltern Kitty und Martin

Von Susanne Kollmann

Wesel. Fröhlich springen Finn (8), Lucy (5) und Emma (4) über das Gerüst auf dem Spielplatz. Mama Kitty Stober ist mittendrin und hat ebenfalls sichtlich Spaß. Seit acht Jahren lebt die junge Familie in Bislich. Einen anderen Stadtteil können sie sich jetzt nicht mehr vorstellen. Doch die Anfänge waren zumindest für Kitty Stober nicht ganz so rosig. „Nachdem wir eingezogen sind, wollte ich einfach nur wieder weg“, verrät die 41-jährige Mutter. Und das, obwohl sie sich mit ihrem Mann Martin vom Fleck weg in das Haus verliebt hat. Sie habe sich schlicht alleine gefühlt, gesteht sie. Diese Phase hielt aber nicht lange: Kitty Stober ergriff die Initiative, stellte sich bei den Nachbarn vor und begann sich in Vereinen einzubringen. „Ich bin sofort herzlich von allen aufgenommen worden“, erinnert sie sich. So gestaltet sie heute den Kindergottesdienst und hilft hin und wieder in der Kita aus, in die ihre Töchter gehen.

Auch die Nachbarn hätten es den Fünfen sehr leicht gemacht. „Die sind einfach toll“, sagt Kitty und ergänzt: „Die Nachbarin hat Gemüse und Obst im Garten und gibt den Kindern oft eine kleine Gurke über den Zaun.“ Während sie das erzählt, blickt sie aus dem Fenster und sieht ihren Nachbarn, wie er nicht nur seinen, sondern auch ihren Gartenzaun streicht. „Wir haben uns das aufgeteilt. Mein Mann und ich fangen nächste Woche hinten an zu streichen“, sagt Kitty .

Finn, Lucy und Emma fühlen sich ebenfalls pudelwohl in Bislich. „Direkt hier vorne kann ich Fußball spielen“, sagt der achtjährige Schüler, der sonst gerne mit seinen Freunden unterwegs ist. Zum Fußballplatz sind es fünf Minuten. „Ich muss mir hier gar keine Sorgen machen, wenn Finn zur Schule oder zum Sportplatz läuft“, sagt Kitty, „hier ist die Welt noch in Ordnung.“ Die beiden Mädchen ziehen es bei den Temperaturen vor im Garten zu plantschen. Auch Ehemann Martin, der als Kegelradfräser im Schichtdienst arbeitet, hat sich schnell im Dorf am Deich eingelebt. „Er ist früher auch schon immer nach Bislich gefahren, um zu angeln, als wir noch in Obrighoven gewohnt haben. Jetzt ist es natürlich direkt um die Ecke und perfekt“, findet die 41-Jährige, die bei der Demenzbetreuung Niederrhein arbeitet. Auch alle anderen der Familie sind sehr naturverbunden, gehen gerne spazieren. „Was soll ich sagen: Wir wohnen da, wo andere Urlaub machen“, sagt Kitty Stober. Und was für viele negativ klingen mag, ist für das Ehepaar nur eine Sache der Planung. „Natürlich wäre es schön, wenn es hier auch einen Lebensmittelmarkt und eine Eisdiele geben würde, dramatisch ist es aber nicht.“

 

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