Tourtester zu Fuß in Bislich unterwegs

Das war eine Premiere: Tester machten sich zu Fuß auf die Spur „Von Äpfeln, Störchen und Vater Rhein“. Anschließend gab es Lob und Kritik. 2015 sollen solche Touren als Pauschalangebote ins Programm aufgenommen werden.

NRZ-Bericht vom 07.07.2014 von Petra Herzog

Noch gehört sie nicht zum touristischen Angebot, doch im nächsten Jahr könnte es auf die kleine Wanderung mit dem Titel „Von Äpfeln, Störchen und Vater Rhein“ gehen. Wesel feilt an seinem Freizeit-Image, ein Tourismuskonzept ist in Arbeit, und City-Manager Thomas Brocker tüftelt mit seinem Team an reizvollen Ausflugsmöglichkeiten, die gut ankommen. Damit das tatsächlich so ist, gab es jetzt eine Premiere: eine Testtour unter der oben genannten Überschrift mit abschließender Kritik.

Für Thomas Brocker steht fest: Wesel hat zwar kein Kernwasserwunderland, das die Menschen anzieht, dafür aber „viele super schöne kleine Juwelen“. Und genau um die soll es bei den angedachten Pauschalangeboten gehen.

Appleritif zum Auftakt

„Fühlen Sie sich alle als Tourist“, ermunterte Brocker die freiwilligen Testpersonen, und los ging es zu einer Runde über das Gelände des Neuhollandshofs in Bislich. Thea und Rolf Clostermann, die die Demeter-Obstplantage bewirtschaften, hatten den Testern bereits ein Glas Appleritif kredenzt, eine alkoholfreie Apfelsekt-Variante. Und so geriet der Ausflug in die Geschichte des Neuhollandshofs zu alles anderem als zu einer trockenen Angelegenheit.

Thea Clostermann erzählte vom 13. Jahrhundert, als hier traditionell Ackerbau und Viehzucht betrieben wurde, sprach über die Teilung des Hofes, so dass neben dem Hollandshof der Neuhollandshof entstand. Sie berichtete von den Großeltern ihres Ehemannes, August und Ilse, die nach einer Reise ins englische Kent mit dem modernen Obstbau begannen. Der erste Hofladen wurde in den 50er Jahren eröffnet, und heute? Heute gibt es auf den 20 Hektar Fläche noch einiges mehr. Angefangen bei der neuen Storchenroute, die über das Gelände führt, über die Kulturscheune und die Schülerimkerei bis hin zum Buchsbaumspiralplatz und zur Bienenweide.

30 000 Bäume hegen und pflegen die Clostermanns, insgesamt 40 Apfelsorten, und über 4000 Rosen. Letztere sind für den Apfelanbau wichtig. Denn wenn die Rosenblattlaus auftaucht, kommt bald auch die mehlige Apfellaus. Die Clostermanns setzen dann Niemöl ein, einen Gummibaum-Extrakt.

Birnen- und Apfelkraut

Inmitten der Baumreihen wartete die nächste Spezialität des Hofes: Birnen- und Apfelkraut, teils mit einem Hauch von Rose auf frischem Brot. „Ein echter Niederrheiner wird das mögen und lieben“, sagte Thea Clostermann, bevor es weiter zum Zuchtgarten ihres Ehemannes ging. Seit zwei Jahren wird hier unter wissenschaftlicher Begleitung an neuen Apfelsorten gearbeitet, ohne Gentechnik - versteht sich. Und wieder gab es etwas zum Probieren: einen Topaz, eine tschechische Apfelsorte - der Edelstein unter den Äpfeln, so die Hausherrin.

Zum Schluss durfte noch der Apfelsaft gekostet werden, bevor der Ellerdonksee angesteuert wurde, wo Werner Reichardt vom Heimatverein einen Bogen von der Eiszeit mit ihren Gletschern zur Auskiesung zog. Immerhin befindet sich die Hälfte der nordrhein-westfälischen Abgrabungsflächen hier am Niederrhein. Der Ellerdonksee, wo demnächst ein Badestrand eingeweiht wird und eine Verlängerung des Rundweges entstehen soll, ist 23 Meter tief, erfuhren die Testwanderer unter anderem.

Niederrheinischer Landregen

Dann sorgte ein kräftiger niederrheinischer Landregen für ein frühes Aufbrechen an dieser Stelle. Es hätte sicher noch viel zu erzählen gegeben. Nächster Stopp: Kirchengarten. Das gepflegte Areal und seine Geschichte sowie der wunderschöne Ausblick auf die Kirchenwoy samt Storchennest war die letzte Station, bevor es weiter zu einer niederrheinischen Mahlzeit ins Fährhaus ging: Matjes mit Schmörkes und Salat oder Himmel und Erde mit Blutwurst standen auf dem Speiseplan - ein netter Ausklang eines schönen Ausflugs, fanden alle und ließen es sich schmecken.

Rolf (links) und Thea Clostermann (Mitte) führten über ihren Hof und berichteten über ihre Arbeit auf dem Lande. Foto: Lars Fröhlich

Das ist geplant

Ideen für weitere Pauschalangebote dieser Art gibt es so einige. Eingebunden werden sollen beispielsweise der Spargel- und Obsthof Heinen, das Restaurant Lippeschlößchen, der Schäfer Maik Dünow und die Privatbrauerei Walter Bräu.

Thomas Brocker und Kathrin Zwanzig, die die Premierentour begleiteten, haben sich die nach der Tour ausgeteilten Fragebögen schon einmal genauer angeschaut. „Wir sind ein gutes Stück schlauer geworden“, sagt Brocker. Man werde noch an dem roten Faden arbeiten und möglicherweise das Thema Kies herausnehmen. Zudem könne die Tour auch in anderer Reihenfolge stattfinden. Wichtig sei zudem eine Sitzmöglichkeit zwischendurch, und auch die Toilettenfrage müsse geklärt werden.

2015 möchte man sich mit den Touren auch auf Messen vorstellen. Es gehe darum, den Markt zu erschließen und auf die Landkarte zu kommen, was am besten über Qualität funktioniere.

Foto: Malz

Blumen und Kräuter in bunter Mischung sorgen für die Vielfalt der Natur, die rund um Bislich touristisch besonders vermarktet werden soll.

Test-Tour: Note eins bis zwei für Bislich

"Niederrhein pur - von Äpfeln, Störchen und dem Vater Rhein" soll Touristen den Niederrhein schmackhaft machen.

RP-Bericht vom 09.07.2014 von Carina Stoll

Dass der Niederrhein einiges zu bieten hat, soll jeder wissen und erleben können. Ein Team um Thomas Brocker und Kathrin Zwanzig von Wesel-Marketing hat verschiedene touristische Touren geplant, die Besuchern die Kultur und die vielfältige Landschaft näherbringen sollen. "Es gibt viele schöne kleinere Angebote, die im Moment noch recht unbekannt sind. Diese Juwelen wollen wir auf dem Markt platzieren", sagt Brocker. Am Sonntag startete das Team mit rund 15 Fachleuten zur Testtour unter dem Motto "Niederrhein pur - von Äpfeln, Störchen und dem Vater Rhein". Zwischen den Stationen wurde die Landschaft durch kurze Fußmärsche hautnah erlebt.

Bevor Touristen dies nachempfinden dürfen, sollten die einzelnen Angebote auf der Testtour noch mal genau unter die Lupe genommen werden. Ist die Zusammenstellung gelungen? Wie interessant sind die Inhalte? Auch die Art der Vorträge und die Dauer der Tour standen unter Begutachtung.

Wie der Titel schon andeutete, machte das Thema "Apfel" den Anfang. Wo könnte man den Apfelanbau anschaulicher erleben als auf dem Neuhollandshof der Familie Clostermann in Bislich? Auf ihrem idyllischen Anwesen empfing das Ehepaar Thea und Rolf Clostermann die Wanderer. Sie sind die ersten "Leistungsanbieter" der Tour. Dieser durch das touristische Marketing geprägte Ausdruck ist den beiden dann aber doch etwas suspekt. In den anderthalb Stunden auf ihrem Hof konnten sie nicht alles zeigen, was sie zu bieten haben.

Doch die Führung fand großen Anklang bei den Testern. Zur Begrüßung gab es einen erfrischenden "Appleritif". Der alkoholfreie Apfelsekt ist eine Spezialität aus dem Hause Clostermann. Der Neuhollandshof ist seit Generationen für den Obstanbau bekannt. Heute werden rund 20 Hektar bewirtschaftet, an 30 000 Bäumen wachsen 40 verschiedene Apfelsorten.

Als Rolf Clostermann, der jüngste von drei Söhnen, gefragt wurde, ob er den Hof übernehmen würde, war seine Bedingung, dass nur noch biologisch-dynamisch angebaut wird. Entgegen aller Skepsis verwirklichte er seinen Plan. Auf angelegten Wegen führte er durch die Obstplantage. Das Ehepaar berichtete von seinen Neuzüchtungen, den großen Blütenwiesen, die für viel Abwechselung für die Bienen sorgen, davon, wenn der Apfel gerade nicht blüht, und vom Anbau mit Kieselerde. "Alles, was man aus Äpfeln herstellen kann, produzieren wir selbst", sagt Thea Clostermann.

Danach übernahm Werner Reichardt vom Heimatverein Bislich die Führung. Vorbei am Ellerdonksee ging es zur St.-Johannes-Kirche. Das Gewässer ist 23 Meter tief und umfasst eine Fläche von rund 75 Hektar. Der Badestrand wird bald eingeweiht. Die Test-Teilnehmer erfuhren etwas über die Kiesvorkommen des Niederrheins und über die Nutzung der durch Abgrabung entstandenen Gewässer. "Der See bietet Lebensraum für viele Vogelarten", erzählt Werner Reichardt.

Ganz besondere Vögel konnte man vom Garten der katholischen St.-Johannes-Kirche aus bewundern. Viele Störche haben in Bislich am Rhein ihre Brut-Heimat gefunden. Sowohl der gepflegte Kirchgarten als auch die prachtvollen Räume der Kirche können bei der Wanderung bestaunt werden.

Weiter ging's auf dem Deich, von wo aus man einen tollen Blick in die Natur hat. Leider hielt das niederrheinische Wetter das, wofür es bekannt ist. Bei ständigen Regenschauern war die Wanderung am See und über den Deich nicht immer ein Genuss.

Zuletzt hielt Reichardt an der im 19. Jahrhundert entstandenen Pietà. Die Statue soll an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges erinnern.

Nach dem Fußmarsch kehrten die Wanderer zur Stärkung ins "Fährhaus" ein. Mit "Himmel und Ähd" und Matjes mit Schmörkes gab es echte niederrheinische Spezialitäten. Hier wurde in Ruhe Bilanz gezogen. Künftig sollen Routen flexibel buchbar sein. Aus einer Reihe von Attraktionen kann sich jeder seine Tour selbst zusammenstellen. So wäre beispielsweise auch ein Besuch des Bislicher Heimatmuseums denkbar. Thomas Brocker ist mit dem Gesamtpaket schon sehr zufrieden. Auch Kathrin Zwanzig sagt: "Ein, zwei Kleinigkeiten könnten noch verbessert werden, aber im Großen und Ganzen ist ein roter Faden vorhanden."

Grundsätzlich ist es angenehm, dass der informative Teil durch Spaziergänge unterbrochen wird. Dennoch stellt sich Brocker die Frage, ob auch ältere Teilnehmer die Strecken absolvieren können. Hier wäre auch die Alternative Fahrrad oder Bus möglich. Der Preis steht noch nicht fest für "Niederrhein pur". Auch qualitativ hochwertige Angebote müssen für Touristen bezahlbar sein.

Das Testpublikum war in jedem Fall positiv gestimmt. Die Teilnehmer gaben der Tour die Note eins bis zwei. Sie wünschten sich mehr Gelegenheiten, eine Toilette aufzusuchen, und regten an, dass nach dem Hofbesuch auf der Wanderung noch einmal Getränke angeboten werden sollten. Außerdem fehle an einigen Stationen anschauliches Bildmaterial, hieß es.

 

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