Von der Kultur des Teetrinkens

Wesel. Ganz gemächlich steigt der Wasserdampf aus der Tasse empor. Das Aroma umschmeichelt die Nase. Dann nippt man an dem Keramikgefäß... und: ein milder, samtiger und doch so frischer Geschmack des Grünen Tees entfaltet sich im Gaumen.

Im Teehaus von Thea Clostermann auf dem Neuhollandshof in Bislich gibt es schwarze und grüne Teeblätter in allen Variationen und noch viele Kräutermischungen darüber hinaus – aus biologischem Anbau natürlich, und lose, das versteht sich beinahe von selbst für den Teeliebhaber. „Teebeutel sind bei uns verpönt“, sagt die 63-Jährige. Hier wird alles von Hand gebrüht, auch für laute Kaffeemaschinen (denn ja, den gibt es auch im Teehaus) ist kein Platz.
Nix „to go“!

Zwischen Obstplantagen, Wiesen, Hof, Weiden und Rhein dürfen hier die vielfältigen Heißgetränke in aller Ruhe genossen werden. Nix „auf die Schnelle“ und nix „to go“ – weder Kaffee noch Tee! Auf dem kleinen Bild an der Wand im Teehaus heißt es: „Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.“ Und all die Hektik sicher auch...

Thea Clostermann hat sich das Teetrinken zum Beruf gemacht – zu einem von vielen der Obstbäuerin, Imkerin, Hofladen- und Teehausbetreiberin, die eigentlich gelernte Sozialpädagogin ist, „aber das ist ja hundert Jahre her“, sagt die Tee-Expertin und lacht. Heute ist die Niederrheinerin eine von der Industrie- und Handelskammer Bayreuth zertifizierte Tee-Sommelière, wie es die Urkunde an der Wand im Teehaus bescheinigt. Den Weinkellner als Sommelier, der edle Tropfen empfiehlt, kennt man. Aber es gibt eben auch Spezialisten für Tee, wie Thea Clostermann eine ist.

„Vor zwei Jahren habe ich die Ausbildung abgeschlossen“, sagt sie. Dabei fing alles ganz harmlos mit einem Wasserkocher in der Auslage eines Teegeschäftes an. „Da waren so komische Blatt-Symbole darauf. Ich ging ins Geschäft und fragte, wofür die verschiedenen Zeichen stehen. Und ich erfuhr, dass es unterschiedliche Wassertemperatur-Einstellungen für die verschiedenen Teesorten wie Rooibos, Grüner, Schwarzer oder Gelber Tee sind. Ich wusste das bis dahin nicht und das hat mich neugierig gemacht“, erzählt sie.

Mit viel Informationsmaterial ging sie aus dem Geschäft, recherchierte zu Hause im Internet weiter und stieß dabei auf das Teeseminar in Bamberg, in dem Tee-Sommeliers ausgebildet werden.

Thea Clostermann, die sich bis zu ihrer Ausbildung als „typisch niederrheinische Teetrinkerin, so mit Pfefferminztee und so“ bezeichnen würde, gießt heißes Wasser mit Kräutern darin durch ein Sieb in eine Tasse. „Das ist genau genommen gar kein Tee, sondern nur ein heißes Kräutergetränk“, sagt sie. Was Tee wirklich ist, hat sie erst in ihrer Ausbildung als Sommelière gelernt: „Es gibt nur zwei Teepflanzen auf der Welt, Thea sinensis und Thea assamica. Alles andere sind nur teeähnliche Getränke.“
Grüner Tee mit Apfel und Rose

Diese beiden Teepflanzen gibt es in unterschiedlichen Abstufungen der Verarbeitung, angefangen beim Weißen, Gelben und Grünem bis hin zum Schwarzen Tee. „Echter Tee ist alles, was mindestens zu 80 Prozent aus einer dieser beiden Teepflanzen besteht“, weiß die Expertin heute. Und was die 20 Prozent darüber hinaus betrifft, so rät sie dazu, ruhig mal mutig und kreativ zu mischen. Ihre persönliche Lieblingssorte: Grüner Tee mit Apfel und Rose.

Den aktuell so modischen, japanischen, pulverisierten „ganz, ganz grünen“ Grüntee Matcha kennt und mag sie natürlich auch, denn sein Aufguss wird aufwändig zelebriert: „Das Wasser sollte 70 bis 80 Grad heiß sein und dann wird er mit dem Teebesen aus Bambus aufgeschäumt und anschließend gießt man noch einmal Wasser dazu.“

Überhaupt genießt sie die verschiednen Zeremonien des Teetrinkens rund um den Glosbus ganz besonders: „In Russland trinkt man zum Beispiel ganz, ganz dunklen Schwarzen Tee aus dem Samowar und gibt ordentlich viel Erdbeermarmelade dazu.“

Thea Clostermann bevorzugt allerdings die japanische oder auch chinesische Tee-Zeremonie. „Das ist ja eine richtige Kultur, das Teetrinken. Man taucht in die jeweiligen Länder ein.“ Vom Service bis zum Süßen – alles gehört dazu, hat eine Tradition. Und apropos Süße: „Die ist eigentlich auch für mich im Tee tabu, weil sie den Geschmack verfälscht.“ Nur bei der Ostfriesischen Tee-Zeremonie, „da gehören Kluntjes natürlich dazu und sind ein Muss.“ Übrigens auch eine ihrer Lieblings-Tee-Zeremonien.

Tee zu trinken, das ist für Thea Clostermann ein Abtauchen aus dem Alltag, ein Kulturgenuss. „Man kann dabei runter kommen und ankommen“. Und oft auch sehr interessante und spannende Geschichten erfahren. Zum Beispiel die, des Earl Grey, der durch ein Unwetter auf See eine neue Teesorte erfand. Aber das erfährt man dann am besten bei einer der nächsten dampfenden Tassen im Teehaus von Thea Clostermann...

Elke Wiegmann

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