Rechtsstreit geht in die nächste Runde

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Senioren-WG in Bislich eine selbstverantwortete Wohnform darstellt, die nicht der Kontrolle der Heimaufsicht unterliegt. Der Kreis strebt eine Berufung an

Die Seniorinnen der Bislicher WG und Pflegedienstleister Roland Lenneps wehren sich gegen die Heimaufsicht. Ein erstes Urteil gab Lenneps Recht, nun strebt der Kreis Wesel die Berufung an. 

Von Rita Meesters Foto Gerd Hermann FFS

Wesel Ingrid Wentzlitschke kann über die Situation nur noch den Kopf schütteln: „Das geht jetzt über Jahre“. Was sie meint, ist der Rechtsstreit zwischen ihrem Vermieter, dem Pflegedienst-Betreiber Roland Lenneps und dem Kreis Wesel. Es geht um die Frage, ob sie und ihre vier Mitbewohnerinnen einer Senioren-WG in Bislich eine selbstverantwortete Gemeinschaft bilden oder eine anbieterverantwortete. Klingt nach einem formalen Rechtsstreit. Doch für die Damen geht es darum, ob die Heimaufsicht ihr Zuhause überprüfen darf. „Wir wollen die Fürsorge der Behörde gar nicht“, erklärt die 74-Jährige.

Ein Urteil im Rechtsstreit zwischen Vermieter Roland Lenneps und dem Kreis Wesel vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ist im vergangenen Herbst bereits gefallen. Das Gericht stellt fest: Dies ist eine selbstverantwortete WG. Der Kreis hatte das anders gesehen, weil der Vermieter zugleich Anbieter des Pflegedienstes ist, der die Bewohnerinnen versorgt. Doch laut Vertrag haben die Seniorinnen die Wahl, einen anderen Anbieter zu beauftragen. Zwar nutzten die Frauen den Dienst des Vermieters, räumt auch das Gericht ein – doch offenbar nicht aus Sachzwängen, sondern mit Blick auf die Qualität des Angebotes, heißt es in der Urteilsbegründung. Die rechtliche Unabhängigkeit von Wohnraumüberlassung und Pflege sei also gewährleistet.

Kreis sieht Unabhängigkeit nicht gegeben

Der Kreis Wesel hat jedoch einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht gestellt. Denn die Heimaufsicht sieht die Trennung von Pflege und Mieterverhältnis nicht gegeben. Zum Beispiel, weil laut Vertrag der Vermieter das Recht habe, dem Bewohner bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu kündigen. Dieser Rechtsstreit zwischen Heimaufsicht und Vermieter habe jedoch keine Auswirkungen auf die Art des Zusammenlebens in der WG, betont der Kreis Wesel in einer Stellungnahme.

Das sehen die WG-Bewohnerinnen anders: Denn sie wollen keine Besuche der Heimaufsicht, selbst wenn sie zum Wohl der Bewohnerinnen gedacht sind. „Wir sind gut versorgt“, betont Ingrid Wenzlitschke. „Es gibt keinen hier, dem es nicht gefällt.“

Und über sich und ihren Alltag würden die Seniorinnen im Alter zwischen 74 und 90 Jahren selbst entscheiden – oder mit Hilfe ihrer Angehörigen. Ein erster Besuch der Heimaufsicht hat die Damen sehr aufgebracht. Das Auftreten sei menschlich nicht schön gewesen, so Lenneps, Krankheitsbilder seien vertauscht worden.

Die Befürchtung der Bewohnerinnen ist auch, dass die Behörde den baulichen Zustand der Wohnung im Obergeschoss moniert. Ein Bad für drei Frauen zum Beispiel. „Für uns kein Problem“, sagt Ingrid Wenzlitschke. Auch eines der Zimmer sei wegen seines Zuschnitts kritisiert worden, sagt Lenneps. Die Bewohnerinnen stört es aber nicht. Sie bestimmen ihren Tagesablauf selbst und erhalten hauswirtschaftliche Hilfe von einem Betreuungsdienst. Hund Peggy gehört zum WG-Leben dazu, der Blick auf den Rhein ist traumhaft. „Ich bin nicht alleine, wir frühstücken zusammen, trinken Kaffee, aber jeder geht auch seines Weges“, beschreibt die 74-Jährige ihren WG-Alltag.

Einige Bewohnerinnen besuchen die Tagespflege von Roland Lenneps im Erdgeschoss. Der kann nicht verstehen, warum es nun zu einer Berufungsverhandlung kommen soll. Der Kreis habe zugesagt, wenn ein Urteil vorliegt, sei der Fall erledigt. Die Bewohnerinnen können von dem Rechtsstreit nichts mehr hören. Sie wollen nur eins: Selbstbestimmt leben.

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