Seniorinnen fürchten um Selbstbestimmung

Acht Frauen haben den Petitionssausschuss des Landtages angeschrieben. Sie bestreiten, dass ihre WG „anbieterverantwortet“ ist und lehnen die daraus resultierende Prüfung durch die Heimaufsicht ab

Von Rita Meesters Foto Gerd Hermann

Die Senioren der Bislicher WG (von links) Margret Zimmermann, Luise Kresken, Ingrid Wenzlitschke, Elisabeth Bovenkerk und Anneliese Delsing

Wesel. Im Alter unabhängig und selbstbestimmt bleiben, das wünscht sich wohl jeder. Acht Seniorinnen haben ihren Lebensabend in die Hand genommen, um dies zu erreichen: Fünf von ihnen bezogen in Bislich eine Senioren-WG, drei weitere leben in zwei Wohnungen im gleichen Haus. Nun sehen sie ihre Eigenständigkeit in Gefahr und wenden sich an den Petitionsausschuss des Landtags. Denn die Frauen ärgern sich über den Kreis Wesel: Laut Heimaufsicht leben sie nicht in einer selbst organisierten Gemeinschaft, sondern in einer so genannten „anbieterverantworteten“ WG des Pflegedienstes, der sie versorgt – das bedeutet, dass die Hausgemeinschaft der Prüfung durch die Heimaufsicht unterliegt und bestimmte bauliche und personelle Anforderungen erfüllen muss.

Unter selbstbestimmt verstehen die Frauen etwas anderes: „Alles, was wir wollen, ist unseren Lebensabend genießen und ein bisschen Privatsphäre zu haben, ohne uns mit Behörden herumschlagen zu müssen“ schreiben sie. Fünf der Seniorinnen leben in einer WG über der Tagespflege des Pflegedienstes „Miteinander“ Am Ehrenmal 6. Selbstverantwortet, darauf legen sie Wert. Vermieter Roland Lenneps ist zugleich Inhaber des Pflegedienstes. Eine Klage gegen die Rechtsauffassung des Kreises Wesel läuft vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Drei Seniorinnen leben in barrierefreien Wohnungen im Untergeschoss – auch sie sehen sich nicht als anbieterverantwortete Gemeinschaft, sondern betonen, sie seien gar keine WG.

Frauen wollten nicht ins Heim

„Ich bestimme und organisiere mich selbst und das wird auch so bleiben“, hat zum Beispiel Ingrid Wenzlitschke an die Heimaufsicht geschrieben. „Wenn ich es nicht mehr kann, wird eine Person meines Vertrauens in meinem Sinne entscheiden und kein anderer.“

In der Petition der Seniorinnen heißt es: „Die Heimaufsicht Wesel will, dass wir in den Anwendungsbereich des WTG (Wohn- und Teilhabegesetz NRW) fallen, damit sie regelmäßig WTG-Prüfungen in unseren Räumen durchführen kann.“ Sie befürchten, dass fremde Menschen in ihr privates Reich eindringen und darüber entscheiden, wie sie zu leben haben.

Gemeinsam hätten die Gründungsmitglieder beschlossen, nicht in ein Heim zu gehen, sondern eine WG zu gründen. Eine Immobilie fanden sie in Zusammenarbeit mit Roland Lenneps – er ist der Neffe eines Gründungsmitglieds, sein Pflegedienst betreut die Frauen seit Jahren. Mit dem Architekten sei über die Gestaltung der Räume nach den Bedürfnissen der Bewohnerinnen gesprochen worden.

Kreis: Prüfung dient den Senioren

In ihrer WG, versichern sie, können sie ihren Pflegedienst wählen und selbst bestimmen, wie der Haushalt läuft, das haben sie per Satzung festgelegt. Wenn sie von einem anderen Pflegedienst versorgt werden wollen, bleibe ihr Mietvertrag bestehen, betonen die Frauen.

Der Kreis Wesel schreibt in einer Stellungnahme, dass Senioren- Wohngemeinschaften grundsätzlich begrüßt werden. Bei der WG in Bislich handele es sich aufgrund der dem Kreis vorliegenden Vertragsgestaltung jedoch um ein einheitliches Angebot von Unterkunft und Betreuung, es werde daher als „anbieterverantwortet“ eingestuft.

Ulrich Petroff, Koordinator des Bereiches „Hilfen für ältere Menschen“, betont jedoch: „Dadurch ändert sich für die Bewohnerinnen nichts. Die Einstufung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Art und Weise ihres Zusammenlebens und ihre Lebensgestaltung.“ Der Begriff „Prüfung“ durch die Heimaufsicht dürfe nicht falsch verstand werden, ergänzt Kreisdirektor Ralf Berensmeier. „Bei der Begehung werden die Gemeinschaftsräume wie Küche oder Bad begutachtet. Die Bewohnerinnen entscheiden dann selbst, ob die Mitarbeitenden der Heimaufsicht ihre Privatzimmer betreten dürfen oder nicht.“ Sinn sei es in erste Linie festzustellen, ob es den Bewohnerinnen gut gehe und ob sie gut versorgt werden, also der Schutz ihrer Interessen. „Wir sind immer auf Seiten der Bewohner.“ Berensmeier bietet den Bislicher Frauen nun ein persönliches Gespräch an, denn es sei ihm wichtig, dazu beizutragen, die Ängste auszuräumen.

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